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Petras Bücherschätze

Ein Nilpferd in Lund: Reisebilder

Ein Nilpferd in Lund: Reisebilder

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Inkl. Steuern.

Autor: Magris, Claudio

Farbe: Silver

Ausgabe: 2

Seitenzahl: 224

Veröffentlichungsdatum: 04-02-2009

Einzelheiten: Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten. Ein Vater, ein Sohn In den Räumen des Klosters Santa Maria de Pedralbes in Barcelona – einem großartigen Bauwerk der katalanischen Gotik –, in denen sich eine Dependance der Sammlung Thyssen-Bornemisza befindet, fällt unter den wenigen Besuchern ein Paar auf, Vater und Sohn. Der Ältere ist ein adretter kleiner Herr von etwa fünfundsiebzig Jahren, der gelassen wirkt. Er hält den Jüngeren an der Hand, der offenbar am Down-Syndrom leidet oder, wie man oft fälschlicherweise sagt, mongoloid ist. Die beiden vor mir bleiben vor jedem Gemälde stehen, und der Vater erläutert dem Sohn, den er fortwährend an der Hand hält, die Vergine dell’umiltà des Beato Angelico, ein Lieblingsmotiv der Bettelorden, dann den Schatten, aus dem Tizians Porträt des Antonio Anselmi tritt, und den Kanarienvogel, der auf dem Porträt einer Dame von Pietro Longhi aus seinem Käfg flieht. Der Sohn hört zu, nickt, murmelt hin und wieder etwas. Er mag vierzig oder fünfzig Jahre alt sein, hat jedoch vor allem das undefinierbare Alter eines welken Kindes. Der Vater sagt etwas zu ihm, hört ihm zu, antwortet ihm. Wahrscheinlich tut er das schon ein Leben lang, und er wirkt weder müde noch besorgt dabei, sondern froh darüber, seinem Sohn die großen Meister nahebringen zu können. Als er vor dem Porträt der Maria Anna von Österreich, Königin von Spanien angekommen ist, beugt er sich vor, um den Namen des Künstlers zu lesen, richtet sich ruckartig wieder auf und sagt etwas zu laut zu seinem Sohn: »Velázquez!« Dann zieht er den Hut, so hoch wie irgend möglich. Das Kreuz, das ihm mit der Behinderung seines Sohnes durch eine unverzeihliche Ungerechtigkeit auferlegt wurde, hat seinen Rücken nicht gekrümmt, hat ihn nicht niedergebeugt und ihn auch nicht verbittern lassen, hat ihm nicht die Freude genommen, Größe anzuerkennen, ihr Ehre zu erweisen und einen Menschen daran teilhaben zu lassen, für den er allem Anschein nach lebt: seinen Sohn. Oftmals ist der Schmerz vernichtend, macht bitter und treibt verständlicherweise dazu, Werke in Abrede zu stellen, mit denen andere, vom Schicksal reichbeschenkte Menschen in der Welt zu Ruhm gelangen konnten. Besonders eine Bürde, die in den Schatten zwingt, so wie diese Behinderung, macht es schwer, sich am Glanz eines anderen zu erfreuen und ihn zu genießen. Die respektvolle, feierliche Anwandlung, den Hut zu ziehen, ist eine königliche Geste, und das offensichtliche Vergnügen, mit dem der alte Mann seine Begeisterung an den Sohn weitergegeben hat, ist dies noch viel mehr. Diese Liebe zwischen Vater und Sohn bewirkt, dass die beiden Menschen sich genügen, wie sich die Liebe genügt. Es ist dieser Mann – der, ohne es zu wissen, ein kleiner Meister für mich geworden ist –, vor dem man den Hut ziehen muss. 19. März 1996 Die Inseln der Seligen Das Boot, das auf Tresco anlegt, fährt nur eine kurze Strecke übers Meer, doch der Passagier, der seinen Fuß auf die Insel setzt, hat das Gefühl, eine viel längere Reise zurückgelegt zu haben, von einer Halbkugel zur anderen, von Nordeuropa in die Südsee; er hat ein paar Stunden zuvor – oder zwanzig Minuten, wenn er den Hubschrauber nimmt – in Cornwall die Westspitze von Großbritannien hinter sich gelassen und befindet sich nun in einer tropischen Vegetation, zwischen Agaven und Palmen, australischem Eukalyptus, Iris und blauvioletten Lilien aus Südafrika, Orchideen, Büschen von purpurroten Mittagsblumen und scharlachfarbenem Natternkopf, der sich erhebt wie ein keckes erotisches Zeichen. Tresco ist eine von den über dreihundert Inseln, die im Atlantischen Ozean den Archipel der Scilly-Inseln bilden, sechsundzwanzig Meilen westlich von Land’s End, wo Cornwall endet. Es gehört zu den sechs bewohnten Inseln, mit der Hauptinsel St. Mary’s, wo die Fähren und Schiffe aus Großbritannien anlegen. Auf der Seite, die dem offenen Meer zugewandt ist, seinen Sturzwellen und seinen Stürmen, sind die Scilly-Inseln rau

EAN: 9783446230866

Languages: Deutsch

Binding: Gebundene Ausgabe

Artikel Hinweis: Sehr gut erhaltenes Buch

Artikel Zustand: Gebraucht - Sehr gut

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